
Migration ist das neue Mega-Thema. Es bewegt die Bürger, es belastet unsere Gesellschaft, es entscheidet Wahlen – und das stärker als je zuvor! So hat Deutschland bereits in den ersten acht Monaten dieses Jahres über 200.000 Asylbewerber aufgenommen – eine Größenordnung von zwei Großstädten, die von Ländern und Kommunen unterzubringen, zu versorgen und zu integrieren sind. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sind die Asylantragszahlen um über 77 Prozent gestiegen. Hinzu kommen über eine Million ukrainische Kriegsflüchtlinge. Baden-Württemberg nimmt allein schon so viele Schutzsuchende aus der Ukraine auf wie ganz Frankreich.
Doch so richtig die Fürsprecher einer grenzenlos offenherzigen Flüchtlingshilfe damit liegen, dass es auch bei den neu um Aufnahme begehrenden Flüchtlingen immer um Menschen, um Einzelschicksale geht, deren Hoffnung auf ein besseres Leben wir nicht einfach gleichgültig abblocken dürfen. So wichtig ist es, auch die Kehrseite des Ganzen zu sehen: Gerade weil es um Menschen geht, dürfen wir weder uns noch den Betroffenen etwas vormachen. Wir können zwar zahllose Hochregallager bauen, um problemlos für lange Zeit ganze Paletten an Gütern und Waren unterzubringen. Die Achtung der Menschenwürde gebietet es aber, eine humanitäre Flüchtlingspolitik nicht auf das bloße Bereitstellen von Wohncontainern zu reduzieren. Wir können Menschen nicht einfach nur Bett und Brot geben, wir müssen uns um die Menschen kümmern. Um jeden Einzelnen!
Und genau hier beginnt das Problem: Die schiere Zahl an aufgenommenen Geflüchteten hat unsere Gesellschaft über die Grenzen dessen gebracht, was sie aushalten, finanzieren und integrieren kann. Es fehlt an Platz: Kommunen sehen sich zum Aufnahmestopp gezwungen, weil selbst die primitivsten Unterkünfte ausgehen, auch die Integrationskurse sind überbelegt. Es fehlt an Verständnis: Denn während wir um immer mehr Unterbringungsmöglichkeiten für zugewanderte Menschen aus dem Ausland ringen, sorgen sich bereits die alteingesessenen Bürger, die hier ihre Steuern zahlen, ob sie sich selbst noch ein eigenes Dach über dem Kopf leisten können. Und es fehlt an einer seriösen Finanzierung: Für eine unbegrenzte Zahl an Zuwanderern bringen wir immer neues Geld auf, gewähren ihnen sogar die höchsten Sozialleistungen in Europa; wir kriegen es aber nicht hin, eine solide Pflege für diejenigen zu finanzieren, die hierzulande lange hart gearbeitet haben.
Hinzu kommt: Menschen mögen zwar bei uns leben; ihre Einstellungen und Prägungen einerseits sowie unsere Kultur und unser Werteverständnis andererseits können jedoch weiterhin Welten trennen. Und diese prallen spätestens dann aufeinander, wenn Konflikte in anderen Erdteilen hochkochen, gar eskalieren. Wenn etwa aktuell Menschen mit Einwanderungsgeschichte den Hamas-Terror bejubeln, wird das, was wir eigentlich als deutsche Staatsräson begreifen, bedroht, angegriffen und untergraben: Das Einstehen für die Sicherheit des Staates Israel, die Solidarität mit Jüdinnen und Juden weltweit. Von anderen Vorfällen – wie den Ausschreitungen rund um eine Eritrea-Veranstaltung in Stuttgart – ganz zu schweigen. Viele fragen sich zurecht: Ist da Integration und damit langfristig ein gedeihliches Miteinander überhaupt noch möglich?
Alles in allem: Wir werden niemandem mehr gerecht – den teils in Turnhallen zusammengepferchten Schutzsuchenden nicht, aber auch unserer Gesellschaft nicht. Deutschland befindet sich in der schwersten Migrationskrise seit Jahren.
Für mich ist klar: Wir können nur gut für andere sorgen, wenn wir gut für uns selbst sorgen. Das heißt: Wir müssen uns wieder stärker um uns selbst kümmern, um das, was wir schaffen können. Deshalb müssen wir die illegale Migration nach Deutschland endlich stoppen. Als CDU-Landtagsfraktion haben wir bereits vor knapp einem Jahr umfangreiche Vorschläge gemacht, wie wir Migration besser steuern, ordnen und begrenzen können. Zu einer Zeit, als die SPD-Bundesinnenministerin Nancy Faeser noch „keine große Migrationskrise“ sehen wollte.
Im April habe ich mir selbst ein Bild von der Lage an unserer Grenze zur Schweiz gemacht und stationäre Grenzkontrollen ins Spiel gebracht. Denn die Zahl der illegalen Grenzübertritte war bereits vergangenes Jahr exponentiell gestiegen. Ein halbes Jahr und ein paar Wahlniederlagen später lenkt nun auch Frau Faeser ein und ermöglicht die Grenzkontrollen, gegen die sie sich bislang vehement gestemmt hatte.
Als CDU-Landtagsfraktion haben wir vor einigen Wochen nochmal die zwölf wichtigsten Forderungen erneuert. Dazu zählt für uns unter anderem ein verbesserter Schutz unserer Grenzen, der auch dem Schlepperwesen den Kampf ansagt. Dazu zählen Werkzeuge für unsere Behörden, um Rückführungen spürbar zu erleichtern. Dazu zählt die Beseitigung von Fehlanreizen, indem wir bei Geflüchteten auf Sach- statt Geldleistungen setzen. Uns geht es um nichts weniger als dass vorhandene staatliche Handlungsspielräume endlich voll ausgeschöpft und auch neue geschaffen werden. Erfreulicherweise besteht auch unter den Ministerpräsidenten diesbezüglich parteiübergreifend weitgehend Einigkeit. Jetzt kommt es darauf an, dass die Ampel-Bundesregierung, ohne die kein Kurswechsel in der Migrationspolitik möglich ist, die ausgestreckte Hand der Union ergreift statt sich mit unzureichenden oder gar kontraproduktiven Absichtserklärungen zu begnügen.
Ja, die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel war und ist umstritten. Doch bereits Angela Merkel hat unmissverständlich deutlich gemacht: 2015 darf sich nicht wiederholen! Dieses Versprechen haben wir als Union mit unserer Kanzlerin damals abgegeben. Und wir dringen jetzt darauf, dieses Versprechen auch einzulösen. Wir wollen eine 180-Grad-Wende in der Migrationspolitik. Denn ein Mega-Thema braucht eine Mega-Lösung. Und zwar genau jetzt!
Andreas Deuschle MdL
Der Autor ist Parlamentarischer Geschäftsführer und migrationspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion Baden-Württemberg. Er ist außerdem Vorsitzender des CDU-Kreisverbands Esslingen.
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