
Bei dem vom Reutlinger Bundestagsabgeordneten Michael Donth organisierten Gespräch über „Die Zukunft Europas“ im Metzinger „Schwanen“ bei der Martinskirche nimmt der Vize-Präsident des Europäischen Parlaments kein Blatt vor dem Mund. Rainer Wieland, MdEP, mahnte, es sei erschütternd, wie viel Rang und Vertrauen britische Politiker in Bezug auf ihr Land innerhalb nur eines Jahres verspielt hätten.
Der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, der Ludwigsburger Europaabgeordnete Rainer Wieland, MdEP (CDU), sieht das Ergebnis der kürzlich begonnenen „Brexit“-Verhandlungen angesichts der schwierigen innenpolitischen Lage in Großbritannien als in jeder Hinsicht aktuell uneinschätzbar ein. Es sei erschütternd, wie viel Vertrauen innerhalb von nur rund einem Jahr von führenden englischen Politikern in Bezug auf den bewährten hohen „Rang“ und die „Verlässlichkeit“ Großbritanniens verspielt worden sei. Das würden die Menschen diesseits und jenseits des Ärmelkanals inzwischen auch spüren.
„Ein Hauptmorbus liegt darin, wie stark in Großbritannien schon in den Jahren vor dem Referendum geradezu jeden Tag negativ über Europa geredet wurde“, sagte Rainer Wieland. „Da das Referendum innerparteilich motiviert war und auch die aktuelle innenpolitische Situation in Großbritannien unübersichtlich bleibe, nehme ich in der Frage, welches konkrete Resultat der Brexit haben werden, gar keine Wetten mehr an. Da halte ich inzwischen alles für möglich.“
Wir Deutschen sind im Grunde einer der Hauptgewinner nicht nur der Deutschen Einheit, sondern der Europäischen Union insgesamt. Dies haben zu einem großen Teil damit zu tun, dass das „wiedervereinigte Deutschland in einem geeinten Europa“ vor allem auch über das Wirken von Alt-Kanzler Helmut Kohl sowie heute Bundeskanzlerin Merkel Vertrauen und Verlässlichkeit glaubwürdig und glaubhaft vermittelt habe. Deutschland sei, sobald man als einzig fairen Vergleich den pro Kopf Vergleich nehme, zudem alles andere als der „Zahlmeister Europas“ und zuweilen würde die Deutschen insoweit sogar den Eindruck machen, als ob sie sich selbst in einer moralischen Überlegenheit des vermeintlichen Opfers gefielen: „210 Europ netto pro Kopf und pro Jahr zahlen wir in Deutschland für die Veranstaltung Europa – ein vergleichsweise lächerlicher Beitrag für die Tatsache, dass wir am meisten von Europa profitieren“, so Wieland.
Den „Deal mit der Türkei“, bei dem wir umgerechnet „rund 80 Euro pro Nase pro Jahr“ zahlen würden, bezeichnete Rainer Wieland im Ganzen gesehen als „ziemlich gescheit“. Einen ähnlichen „Handel“ sollte die Europäische Union so bald wie möglich auch mit Nordafrika hinbekommen, wo sich viele Fluchtwillige angesichts der Misere „aus ihrer Sicht vernünftig verhielten“ und aus ihren Familienclans, zumeist ab dem unteren Mittelstand, in der Regel für 3000 bis 5000 Euro natürlich versuchen, würden, die „kräftigsten“ Hoffnungsträger aus ihrer Sicht nach Europa zu schicken. Das „Rausfischen“ sei unsere „Christenpflicht“, aber die Weiterreise könnte mit solchen Abkommen dann künftig auch weiter nach Süden erfolgen.
Der eigentliche geopolitische Imperativ Europas mit seinen nur rund 507 Millionen Bürgerinnen und Bürgern (gegenüber z.B. 1,2 Milliarden Chinesen) sei aber letzten Endes für uns alle die Frage, ob wir bei „G2/3 mit Werte und Standards setzend mit am Tisch sitzen, oder aber auf der Speisekarte“.
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